Stuttgarter Zeitung vom 26.11.2001

Singende Hofdamen in turbulentem Spiel

Gerhard Schedels Kinderoper "Der Schweinehirt" im Stuttgarter Kammertheater



Wird der Prinz die Kaiserstochter am Ende bekommen? Wird sie ihn bekommen? Andrea Schwalbachs Inszenierung von Gerhard Schedels Kinderoper "Der Schweinehirt", die jetzt im Stuttgarter Kammertheater Premiere hatte, lässt das offen. Nach einem Duett der beiden Liebenden knallt der Prinz seiner launischen Angebeteten erst mal die Tür vor der Nase zu und lässt sie buchstäblich im Regen stehen. "Das hast du nun davon", singen ihre Zofen und gehen mit dem Prinzen in die Disco.

Rund fünfzig Minuten dauert die neue Produktion der Jungen Oper Stuttgart, die auch diesmal wieder gemeinsam von Kindern, Jugendlichen, Studierenden und professionellen Theaterleuten erarbeitet und dabei von zahlreichen pädagogischen Schülerprojekten (unter der Leitung von Cecilia Zacconi und Andreas Tarkmann) begleitet wurde. Gerhard Schedels "Schweinehirt" (Text von Attila Böcs nach Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen) wurde vor zwanzig Jahren uraufgeführt und mit dem ersten Preis beim Wettbewerb für Kinderopern in Dresden ausgezeichnet.

Nicht minder erfolgreich war im selben Jahr sein szenisches Oratorium "Der Großinquisitor". Seither gilt Schedel (1957-2000), der am Konservatorium seiner Heimatstadt Wien bei Erich Urbanner Komposition studierte, als einer der bedeutendsten österreichischen Tonsetzer seiner Generation. Seine Musik, die von international renommierten Solisten, Dirigenten und Orchestern aufgeführt wird, verbindet Tradition und Traditionsbruch, Vorgefundenes und Erfundenes, bekennt sich zur "Lust am expressiven Klang, zur gesteigerten Dramatik, aber auch zu durchdachter Konstruktion und zum plakativen Reiz emotionaler Darstellungsformen".

Auch in Schedels "Schweinehirt" treffen tonale, freitonale und experimentelle Klänge aufeinander, fügen sich in eine "runde", ganz persönliche Musiksprache, die hier leichtfüßig mit sparsamen Mitteln das Bühnengeschehen untermalt oder kommentiert. Verfremdete Liedzitate ("O du lieber Augustin"), ausgelassene Tänzchen mit Taktwechseln oder elegische Bläsersoli sind ganz ungezwungen in diesen Kontext eingebettet. Ein kleines Ensemble mit Flöte, Saxofon, Gitarre, Violoncello und Schlagzeug genügt Schedel, um den Sprecher und die Gesangssolisten zu begleiten, deren Partien in dieser Produktion mit Studierenden oder jungen Absolventen baden-württembergischer Musikhochschulen besetzt sind.

Matthias Jungermann erweist sich als talentierter Erzähler und Figurenspieler. Wendig deutet er das Geschehen an, illustriert es mit schnell gefalteten Papierattrappen und animiert die als Hofdamen beteiligten jungen Chorsängerinnen aus dem Großraum Stuttgart zu turbulentem Mitspiel. Andreas Hermann (Prinz), Andrea Chudak (Prinzessin), Adrian Arcaro (Kaiser), Joanna Limanska und Sigrun Bornträger (Hofdamen) bleiben bei der A-Premiere ihren Rollen nichts schuldig. Auch die Instrumentalisten bewähren sich unter der Leitung des jungen Stuttgarter Dirigenten Frank Oidtmann als exzellente Musiker, die selbst dann den Faden nicht verlieren, wenn sie plötzlich samt den Kulissen auf der Bühne herumgeschoben werden.

Nanette Zimmermanns Ausstattung setzt auf fantasievolle Requisiten und bunte Kostüme zwischen Sixties-Look und aktueller Mode. Kein Wunder, dass bei diesem unterhaltsamen Spektakel "für alle ab fünf Jahren" die Zeit wie im Flug vergeht.

Von Werner Müller-Grimmel