Frankfurter Allgemeine - FAZ vom 14.12.2001

Mit den Zofen schwofen

Gerhard Schedls Kinderoper "Der Schweinehirt" in Stuttgart

Ein komplettes Bastelset für ein kleines "Schweinetheater" aus pappe enthält der Programmheftumschlag zur jüngsten Produktion der Jungen Oper Stuttgart. Doch basteln soll man erst zuhause. Vorher bekommt man vorgeführt, was ein Prinz so alles unternimmt, um eine Kaiserstocher herumzukriegen. Gespielt wird Gerhard Schedls Kinderoper "Der Schweinehirt" nach Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen (Text: Attila Böcs), ein kurzweiliges Spektakel "für alle ab fünf Jahren", das nach seiner Uraufführung 1981 beim Wettbewerb für Kinderopern in Dresden den ersten Preis erhielt.

Mit ihrer Initiative "Junge Oper" möchte die Staatsoper Stuttgart Jugendliche produktiv an die Welt des Musiktheaters heraunführen. Auch Schedls "Schweinehirt" wirde wieder gemeinsam mit Kindern, Schülern, Studierenden und Theaterprofis unter der Obhut der Dramaturgin Bettina Milz erarbeitet. Parallel dazu leiteten Cecilia Zacconi und Andereas Tarkmann zahlreiche pädagogische Projekte mit Schulklassen. andrea Schwalbachs turbulente Inszenierung und NAnette Zimmermanns phantasievoll-bunte Ausstattung sind ganz aus dieser Einbeziehung des nachwuchses in den Produktionsprozeß entwickelt.

Die Musik des in seiner Heimatstadt Wien bei Erich Urbanner ausgebildeten Komponisten Gerhard Schedl (1957 bis 2000) kommt solchen Absichten mit ihrer Verbindung von tonalen, zitathaften und experimentellen Elementen, von Tradition und Traditionsbruch entgegen. Flexibel begleitet sie das szenische Geschehen, untermalt oder kommentiert es mit meist knappen, gelegentlich dramatisch zugespitzten Gesten. Zu ihren Eckwerten gehören "lust am expressiven Klang" und "plakativer Reiz emotionaler Darstellungsformen" (Schedl) ebenso wie "durchdachte Konstruktion".

Durch Beschränkung auf Flöte, Saxophon, Gitarre, Violoncello und Schlagzeug entsteht eine ganz eigenständige Klangwelt, in die sich zwanglos auch schwungvolle Tanzrhythmen, verfremdete Liedmelodien und atmosphärische Instrumentalsoli intregrieren lassen. Matthias Jungermann führt als versierter Sprecher und Figurenspieler mit coolem Charme durch das Märchen. Als Gesangssolisten debütieren Studierende oder junge Absolventen von lokalen Musikhochschulen (in der A-Premiere bewährten sich Andreas Hermann, Andrea Chudak, Adrian Arcaro, Joanna Limanska und Sigrun Bornträger glänzend), als Hofdamen treten junge Chorsängerinnen aus der Stuttgarter Gegend auf.

Der angehende Dirigent frank Oidmann hat das filigrane musikalische Geschehen mit präziser Schlagtechnik so sicher im Griff, daß die brilliant spielenden Instrumentalisten auch dann nicht aus dem Takt kommen, wenn sie auf Kulissen quer über die Bühne gefahren werden. Ob der arme, musisch begabte Prinz und die hochnäsige Kaiserstocher abweichend von Andersens Märchen am Ende doch noch zueinander finden, lassen Schedls fünfzigminütige Kinderoper und mit ihr die Stuttgarter Inszenierung offen. Zwar bleibt die Prinzessin zunächst buchstäblich im Regen stehen, da ihr der vermeindliche Schweinehirt die Tür vor der Nase zuknallt, um mit den Zofen schwofen zu gehen. Aber sie könnte ja noch nachkommen.