Radieschenfieber - Der Name

"Klingt gut!" Dann fangen die gegenüber an zu Schmunzeln, grinsen sogar. Wenn ich dann nachfrage kommt lediglich ein "Nur so!" als Antwort.
Radieschenfieber, der Name der zum Schmunzeln anregt. Vielleicht weil niemand sich darunter etwas vorstellen kann und er trotzdem so vertraut wirkt. Zwei banale Worte kombiniert zu etwas neuem, also geradezu ein Neologismus.

Tropenfieber, Radieschensalat, Geldfieber, Radieschen... überhaupt RADIESCHEN!
Diese harmlosen Wesen, die Armen, Gemüse doch nur! Und die haben jetzt Fieber?
Oder ist es gar ein Fieber bei einem selber, was durch die Radieschen ausgelöst wird, ungeheure Fieberschübe, Sehnsucht nach Radieschen, fiebrige Radieschensucht, und das durch vielleicht "infizierte" Radieschen? *ekel* Wie werden die dann entsorgt, aufgegessen? Und ist das etwa ansteckend?

Und das alles mit Radieschen? Diesen lieben Geschöpfen der Natur, pikant im Geschmack und in der Würze? Auch wenn Sie in der einschlägigen Kochbuchliteratur eher ein Schattendasein fristen.
So liest man z.B. markant oft in diversen Rezepturen:

"Radieschen in Streifen schneiden..."

Schrecklich, nicht wahr? Verkleinert, verkrüppelt einem Etwas beigemengt zu werden als zusätzlicher Geschmackspunkt, einer mehr von vielen anderen in einer einzigen geschmacklichen Soße.
Oft sogar der „Verhohnepiepelung" preisgegeben, wie erschreckend deutlich in diesem Auszug zu lesen:

"Die Radieschen putzen, quer halbieren und als Hütchen darauf setzen. Aus den restlichen Radieschen lachende Münder schneiden!"
"Alles mischen und mit Essig, Öl, Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker anmachen."

Wie schrecklich demütigend. Meine lieben Leser, beim Schreiben dieser Zeilen bin ich vom Grauen überfallen und begreife das Unfassliche der Grausamkeit im Küchenmilieu. Diese schreckliche Demütigung. Als Hütchen drauf! Lachende Münder! Und dann wird man auch noch angemacht! Welch Zynismus.

Doch es geht auch anders. Ein eher kleiner Kochbuchverlag aus dem Schweizerischem nimmt sich der gedemütigten Gemüseart an und veröffentlicht ganz eigene, respektvolle und zudem schmackhafte Rezeptkombinationen.

"Eiszapfen (längliches rettichähnliches Radieschen) gut andünsten. Mit Salz, Pfeffer und etwas Muskat würzen. Gemüsebrühe zugeben und ca. 10 Minuten bei geschlossenem Deckel weichgaren. Anschließend pürieren und 2 EL Crème Fraîche untermischen."

Wo sonst wird heutzutage noch mit einer derartigen Achtung und Wertschätzung vom Radieschen gesprochen? Ganze Gerichte orientieren sich an der Geschmackswurzel des Radieschens und sehen es als Hauptakteur, nicht als optionales Beiwerk. Desweiteren gibt dieses Büchlein sinnvolle, praktische und informative Tips dennoch zur gesunden Ernährung. Und das mit dem Radieschen!

"Essen Sie Tomaten, Paprika, Radieschen oder Keimlinge auch zum Brot."

Doch woher rührt das Fieber? Fieber in Kombination mit Radieschen? Bei aller Verachtung die man dem kleinen Ding entgegenbrachte, aber soweit war man doch bisher nicht gegangen. Versuchen wir uns einmal wissenschafts-philosophisch dieser Wortkombination zu nähern:

RADIESCHEN: Das unscheinbare Gemüse, klein bis größer, rot, scharf, grünes Blattwerk direkt aus der Knolle, weiße Spitze. Rot als Sinnbild für die Liebe, die Sünde, die Aggression. Grün das Sinnbild für Ruhe, Geduld, Besinnung. Welch existenzieller Konflikt allein schon in der Farbgebung. Zwei Parteien im Wettstreit miteinander, gegeneinander, das Gleichgewicht von "Gut" und "Böse", woher die unerhörliche Schärfe im Geschmack rühren könnte, eine Eigenschaft die es ja gerade so liebenswert macht. Stellen Sie sich vor, Ihr Radieschen würde schmecken wie Toastbrot.

FIEBER: Lebensbedrohlicher Zustand in höheren Ebenen, erhöhte Körpertemperatur ab 37°C, Schutzmechanismus des Körpers zu Bekämpfung von was auch immer.
Gefährlicher Zustand und doch heilend.
Das Ende anstreben um doch hinter dem Ende ein Weiter zu finden.
Alles wagen um sich zu entwickeln.

Welchen Zustand kann man nun als "Radieschenfieber" bezeichnen? Gewisslich keine Krankheit, das sollen wir der gedemütigten Kreatur nicht noch aufhalsen.
Mehr ein Lebensgefühl, ein Suchen zwischen Liebe und Besinnlichkeit, Aggression und Geduld, nach einem "lebensbedrohlichen Zustand in höheren Ebenen", um hinter dem Ende ein Weiter zu finden.




Eigentlich war alles ganz anders.
Als Matthias Jungermann vor Jahren bei einer Besprechung zur Gründung einer kleinen Laientheatergruppe anwesend war, merkte er sich die Einfälle für den noch nicht gefundenen Namen. Sein Freund, Thies H., sprach dann ein Wort - "Radieschenfieber" - klopfte sich auf die Schenkel und konnte sich vor Lachen kaum halten.
Auch Matthias J. fand dies witzig und notierte Sich diesen Begriff, der mit zunehmender Technisierung des Noteuers immer mehr an Bedeutung gewann, zunächst als einfache Emailadresse, damals noch bei hotmail.com. Der weitere Verlauf der Geschichte dieses Namens liest sich ähnlich wie die Entwicklungsgeschichte von Microsoft, eine wahrhafte Erfolgsstory.
Vieles fängt mit einem guten Namen an.

Thies H. bestreitet allerdings bis auf den heutigen Tag Urheber dieser Idee zu sein.