PREMIERE 30. NOVEMBER 2002

MEISTER PEDROS PUPPENSPIEL

MANUEL DE FALLA
El retablo de Maese Pedro
Marionettenoper in einem Akt
Text von Manuel de Falla
nach einer Episode aus dem Roman El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha von Miguel de Cervantes

Für alle ab 6 Jahren

Im Stall einer Herberge in Aragonien, Ende des 16. Jahrhunderts, hat Meister Pedro sein Puppentheater aufgeschlagen. Angelockt von seinen Rufen strömen die Zuschauer herbei, unter ihnen Don Quijote und sein Gefährte Sancho Panza. Aufgeführt wird ein Stück über die Befreiung der schönen Melisendra, Tochter von Kaiser Karl dem Großen, aus dem Palast des Maurenkönigs Marsilio. Das Spiel beginnt. Karl der Große treibt seinen ins Schachspiel vertieften Schwiegersohn Don Gayferos erzürnt an, in das Reich des Maurenkönigs aufzubrechen, um die entführte Melisendra zurückzuholen. Als Don Gayferos seinen einsamen Eroberungsfeldzug antritt, hält es Don Quijote nicht mehr auf seinem Zuschauerplatz. Immer wieder greift er unvermittelt in die Handlung ein. Melisendra kann auf dem Rücken eines Pferdes mit ihrem Gemahl entkommen. Don Quijote vergisst schließlich vollständig, dass er in einem Puppentheater sitzt, verwechselt Siel und Wirklichkeit, zückt sein Schwert und schlägt die das Paar verfolgenden Mauren zurück. Meister Pedro muss verzweifelt den Kampf gegen seine Puppen mit ansehen. Den Sieg auf dem Marionettenschlachtfeld widmet Don Quijote seiner angebeteten Dulcinea.

Manuel de Fallas ungewöhnliche Idee einer Marionettenoper entstand aus der engen Zusammenarbeit mit Garcia Lorca, der ein privates Marionettentheater gegründet hatte. Beide verband das Studium alter Quellen spanischer Kunst- und Volksmusik, so des cante jondo, des andalusischen Volksgesangs. Bei der Uraufführung von El retablo de Maese Pedro 1923 saßen Paul Valéry, Pablo Picasso und Strawinsky im Publikum. Zahlreiche Künstler dieser Zeit teilten die Faszination an den zugleich abstrakten wie spielerisch-humorvollen Möglichkeiten des Figurentheaters.


Die Inszenierung der Jungen Oper wird unter der Musikalischen Leitung von Wolfgang Heinz und in der Regie von Frank Hilbrich in Zusammenarbeit mit Absolventen und Studenten des Studiengangs Figurentheater der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart entwickelt. Im Oktober finden zwei Lehrerfortbildungen in Kooperation mit dem LEU (Landesinstitut für Erziehung und Unterricht) statt, die u.a. einen Schwerpunkt Figurentheater haben. Wie immer sind Probenbesuche von Schulklassen, Ensemblegespräche und viele andere Schulprojekte in Planung.

Im Gegensatz zu den großen Ballettpartituren de Fallas, in denen es aufgrund üppigster Orchesterinstrumentationen zu fast rauschhaften Klangdimensionen kommt, ist der El retablo de Maese Pedro eine ausgesprochene Kammeroper. Unmittelbar nach dem 1.Weltkrieg entstanden, fällt der Retablo in eine Zeit, die stark geprägt ist von einem generellen Misstrauen gegenüber jeglichem Pathos der Sprache und der Musik. Für eine Epoche, die die unmittelbaren materiellen und seelischen Kriegsfolgen zu tragen hatte, wird "Sachlichkeit" das Grundelement der Künste. In de Fallas Meister Pedros Puppenspiel tritt die deutlich neue Affinität zum Ordnungsprinzip des Barock sowie zur klaren Linearität mittelalterlicher Musik zutage. Zwar fehlt de Fallas Musik das revolutionäre Moment jener Zeit - im Retablo werden keine umstürzlerisch-neuen Tonsysteme ausprobiert - , aber sie ist dem Neuen aufgeschlossen und experimentiert ständig in dem Spannungsfeld zwischen "Alter Musik" mit deren charakteristischen, mitunter durch die spanische Volksmusik gefärbten Tonskalen und "neuen" ästhetischen Ideen in Form und Tonalität. Der "Retablo" leitet die kammermusikalische Phase im Schaffen de Fallas ein und bildet zusammen mit seinem Cembalokonzert einen kompositorisch bedeutsamen Beitrag zu den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts.


Bettina Milz, Andreas Tarkmann


Opernjournal der Stuttgarter Staatsoper 10/2002